1. Strophe:
Ein Lehrgang, und schon war sie Neulehrerin und sie hatte ein hartes Brot. Gar nicht so einfach, der Neubeginn zu Zeiten der Volksbildungsnot. „Schule“, gut lesbar stand ’s über dem Tor, das stehengeblieben war. Sehr viele kamen und standen davor, Bücher warn wenige da. Wenige waren den Flammen entkommen und fanden sich an unterm Rauch. Das „Kapital“, Heine, Brecht, Majakowski, ein russisches Märchenbuch auch. Und das las sie vor und verstellte die Stimme und machte sich dick oder krumm. Zum Russischlernen kriegte sie so die Hälfte der Klasse rum.
2. Strophe:
Das sind die einzigen Märchen geblieben, die sie den Kindern erzählt. Ansonsten, da hielt sie sich lieber ans Leben und an die wirkliche Welt. Eins ihrer Hobbys war „Dranzubleiben“, sie wusste, dass gar nicht genügt, den durchaus vertretbaren Satz anzuschreiben „Der Sozialismus siegt!“ der siegte noch nie von alleine und treibt zum Lernen nicht sonderlich an, solange er nur an der Wandtafel bleibt, wo jeder ihn wegwischen kann. Irgendwann kam mal ein Schüler von damals ganz schnell auf’n Sprung zu ihr hoch. Vokabeln, die hat er alle vergessen, die Märchen, die konnte er noch. So stellt sich die alte Frau Neulehrerin noch nicht auf ein ruhiges Gleis, und hat sie ständig auch Kreidehände, die macht keinem was weis.